Horizont 13

Wie gelangt man vom Kerstelenbach im oberen Reusstal an die Seine, warum tauscht man die steilen Bergpfade am Brisenstock gegen die Boulevards der Grossstadt ein, wie lebt es sich mitten im Menschengewühl einer Metropole, nachdem man die früheren Jahre in der Stille des Gebirgswelt erlebt hat? «Kein Stern zu fern» – so erscheint der Urner Himmel einer jungen Frau voller Neugier, deren Sehnsucht Berge versetzen möchte. Der Lebensweg von Leonor Gnos führt aus der vertrauten Landschaft ihrer Amsteger Kindheit in Städte, doch nichts geht dabei verloren. Denn alles, was sie in den ersten beiden Jahrzehnten ihrer Biografie aufgenommen hat – Düfte, Klänge, Farben, Stimmungen –, ist in den Kammern des Gedächtnissens gespeichert worden, um später wieder ans Licht zu kommen: diesmal verwandelt in Wort. Aber nun treffen die Erinnerungen auf gegensätzliche Erfahrungen der Jetztzeit in Städten wie Luzern, Paris und Marseille, die für die Autorin nacheinander zu Lebensorten geworden sind. So heben sich die Zeitunterschiede auf, und alles wird im Medium der Sprache zur Gegenwart – bedrängend und bezaubernd zugleich.

Beatrice Eichmann-Leutenegger